Wie eine Wand zur besten Geschichtenerzählerin wird

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Stell Dir vor: eine langweilige, leere Wand. Weiß, glatter als der Bauch eines frisch polierten Porzellanschweins. Und Du stehst davor, mit verschränkten Armen, seufzend. So ging es auch Leo. Seine neue Wohnung war cool, keine Frage, aber die Wände – die wirkten wie vergessenes Toastbrot. Trocken. Fade. Zum Davonlaufen.
„Nicht mit mir!“, dachte Leo. Und anstatt sich ins nächste Möbelhaus zu schleppen, entschied er: Ich baue mir eine Wand, die Bock auf Leben macht.
Sein erster Geistesblitz: eine Collage aus leeren Bilderrahmen. Verschieden groß, verschieden alt, wild gemischt. Leo schlenderte über Flohmärkte, sammelte vergilbte Rahmen mit Goldpatina und modernistische Modelle aus den Achtzigern. Zuhause hängte er sie scheinbar chaotisch, aber clever zusammen – wie ein kleines, goldenes Netz an der Wand. Noch ohne Bilder. „Das ist Kunst“, erklärte er stolz jedem Besucher.
Doch Leo wollte noch eine Schippe drauflegen. Er holte sich einen Wandteppich, handgewebt aus Marokko, voller Farben, Muster, Geschichten. Das Ding wirkte, als würde es den Raum einmal ein- und wieder ausatmen. Und mit einem einzigen Nagel und ein bisschen Überredungskunst hing das Textil endlich – schwer, schön und einfach anders.
An einem verkaterten Sonntag – Leo nannte ihn „Tag des heiligen Wahnsinns“ – kam ihm die nächste Idee: selbstgemachte Wandregale aus alten Holzkisten. Er wühlte im Keller, schleppte drei knorrige Kisten herauf, schmirgelte sie ab und schraubte sie direkt an die Wand. Darauf: alte Bücher, kleine Pflanzen, ein Skateboard, eine zerbeulte Blechtasse mit bunten Stiften. Die Wand atmete endlich Leo.
Später, inspiriert von einer durchzechten Nacht mit zu viel Espresso, schnappte er sich abziehbare Wandsticker. Keine kitschigen Einhörner, sondern minimalistische Formen, kleine schwarze Dreiecke. Innerhalb einer Stunde hatte er damit ein Muster über eine Ecke der Wand „gestreut“, wie Konfetti bei einer Party, die nie ganz vorbei war.
Und dann war da noch das Herzstück: eine DIY-Fotoleine. Zwei Haken in die Wand, eine grobe Schnur dazwischen, und daran mit Holzklammern kleine Polaroids. Schnappschüsse von Partys, Reisen, Blödsinn. Fotos, die nichts kosteten, aber alles bedeuteten.
Als Leo am Ende auf dem Sofa lag, die Musik leise, das Bier kalt in der Hand, war klar:
Seine Wand war nicht nur dekoriert.
Sie war explodiert.
Vor Leben, vor Geschichten, vor Leo.
Und die Moral von der Geschicht’?
Wände sind nicht dazu da, still zu leiden. Sie sind da, um laut zu erzählen, wer Du bist.